Alles
für die Katz'...
Von Waltraud Novak
Zeit meines Lebens wurde ich von Tieren begleitet: Kaninchen, Hunde, Wellensittiche,
Aquarienfische, Hamster, kein Abschnitt meines Lebens ohne ein Tier. Es tat
meiner Tierliebe keinen Abbruch, daß ich in der Zwischenzeit nicht mehr
alleine war, mein Mann und später dann auch unsere Kinder teilten diese
Liebe zum Tier mit mir.
Aber die Zeit bleibt nicht stehen, aus Kindern wurden Erwachsene und wir wurden
älter. Das kunterbunte tierische Sammelsurium war den Weg alles Irdischen
gegangen und die Kinder aus dem Haus. Zurück blieben leere Zimmer, die
fordernd nach Leben schrien. Was tun? Die Lösung lag denkbar nahe: ein
Tier muß her! Aber welches? Junge Hunde müssen Gassi-gehen, etwas
schwierig, wenn man ganztägig im Beruf steht. Wellensittiche? Zu aufwendig
- all die Federn! Hamster - zu kurzlebig, Fische - zu stumm. Ja, was denn
dann?
Ein Spaziergang führte an einer Tierhandlung vorbei. In einem Käfig
saßen Kätzchen und spähten neugierig durch die Stäbe
nach draußen. Das war es! Eine Katze! Wir hatten noch nie eine Katze!
Und so praktisch: sie muß nicht Gassigehen, ist nicht stumm, verliert
keine Federn, lebt lange ... Ich hatte das ideale Heimtier gefunden. Aber
wie sage ich's meinem Manne?
Haben Sie auch einen Mann? Haben Sie je versucht, einen Prosaiker von der
"intuitiven" Notwendigkeit des Erwerbs eines Haustieres zu überzeugen?
Es gab keine logischen Gründe für die Ablehnung eines solchen Begehrens,
leider ließen sich auch keine logischen Gründe zur Befürwortung
desselben finden. Überredungskünste fruchten da nichts, also wird
zur zweiten Wahl gegriffen: weibliche List!
In der nahen Buchhandlung wühlte ich mich durch die Abteilung Tierbücher.
Ich fand zwei Bücher über Rassekatzen, die auch einige gute Bilder
beinhalteten.
Gekauft!
Abends angelegentlich im ersten Buch geblättert, als Männes Wunsch
nach Kaffee erklang. Wegen der fesselnden Lektüre den ersten Ruf "überhört"
und somit die Aufmerksamkeit des Familienoberhauptes auf das Buch gelenkt.
Das Buch nach dem Erklingen des zweiten Rufes aufgeschlagen auf den Tisch
gelegt, zufällig gerade bei einem süßen Katzenfoto... Als
ich aus der Küche zurückkam, in der Hand die dampfende Kaffeetasse,
fielen - wohl durch den Luftzug verursacht - zwei Seiten des aufgeschlagenen
Buches über das Foto...
Beim Abendessen das Buch mit dem Titelbild voran deutlich sichtbar auf ein
Schränkchen gelegt. Männes Blick wandert, während er die Suppe
löffelt, immer wieder zu dem Buch. Aber er hüllt sich in Schweigen.
Ich auch.
Am nächsten Morgen neuer Anlauf meinerseits und fruchtlose Diskussion
über die Sinnhaftigkeit eines Katzenkaufes. Mißvergnügen auf
beiden Seiten. Männe zieht ab zur Arbeit, Frauchen schlägt die Tageszeitung
auf. Auf Seite fünf lachen mir drei entzückende junge Kätzchen
aus einem Körbchen entgegen.
Geistesblitz!
Am Abend schlägt Männe die Zeitung auf. Auf Seite fünf prangt
auf dem Zeitungsrand über dem Bild der Kätzchen mit Rotstift: "Bitte,
Bitte!" Männe sieht es und verzieht das Gesicht. Aber es kommt kein
Ton. Frauchen krallt sich das zweite Katzenbuch und vertieft sich darin. Leider
etwas mehr Text, aber informativ und so überhöre ich diesmal tatsächlich
Männes Ruf nach Kaffee. Seine bereits etwas unwirsche Urgenz (hat er
mich etwa durchschaut?) zwingt mich, das Buch hastig auf den Tisch zu legen
und in die Küche zu verschwinden. Zurück mit Kaffe und Kuchen liegt
das Buch verkehrt auf dem Tisch.
Männe???
Zwei Tage vergehen ereignislos, am dritten Tag - welch Zufall - findet sich
auf Seite drei der Tageszeitung ein Katzenfoto. Abends kann Männe am
Zeitungsrand lesen: "Bitte, sei doch nicht so!" Männe schnaubt,
als sein Blick auf die Notiz fällt.
Da meine Zermürbungstaktik nicht so richtig greift, starte ich nochmals
zur Buchhandlung. Diesmal finde ich einen Bildband über Katzen. Große
Katzen, kleine Katzen, Katzen in der Sonne, Katzen im Schnee, schwarze, braune,
rote und weiße Katzen, gefleckt und getigert. Das gibt eine Breitseite,
volles Rohr!
Abends streifen mich Männes verwunderte Blicke: ich lese gar kein Katzenbuch?
Kaffe und Kuchen gibt's heute ohne Urgenzen, Abendessen ebenfalls. Dann wird
der Tisch abgeräumt, Männe vertieft sich in die Zeitung und ich
hole meinen Bildband. Das Buch ist etwas überdimensioniert, daher muß
ich es auf den Tisch legen, um darin blättern zu können. Mit jeder
Seite, die ich umblättere, bewegen sich die Seiten der Tageszeitung,
in die Männe vertieft ist. Bei der dritten Seite hebt Männe irritiert
den Kopf. Sein Blick fällt auf den Bildband. Er verdreht die Augen. "Sag
mal, was willst du denn mit einer Katze? Was machst du, wenn wir in den Urlaub
fahren? Wer wird auf das Tier aufpassen, es füttern, das Kistchen reinigen?
Und dann die Haare! Überall Haare, auf dem Tisch, in den Kaffeeschalen,
auf dem Suppenteller, so eine Katze springt doch überall hinauf und du
weißt, ich kann das nicht leiden!" Meine Augen blitzen kampfbereit.
Das war ein Fehler, ich merke es sofort: nun schaltet er auf stur. Also keine
Diskussion, meine Augen senken sich wieder auf das Buch und ich bleibe stumm.
Thema beendet.
In der Woche darauf habe ich noch dreimal Gelegenheit, die Tageszeitung durch
meine "Randbemerkungen" aufzuwerten. Großartig von dieser
Zeitung, daß die plötzlich so viele Katzenbilder bringen und mich
in meinem Kampf um ein Haustier so unterstützen! Ich muß denen
doch tatsächlich ein Dankschreiben schicken!
In der Buchhandlung habe ich diesmal ein Buch über Katzengeburten gefunden,
reich illustriert mit süßen Katzenkinderfotos. Zwei Tage später
erwische ich Männe, wie er in dem Buch blättert. Ich sage kein Wort.
In einem Papiergeschäft habe ich nämlich heute einen Katzen-Wandkalender
gekauft, günstiger Restposten, der prangt ab morgen im Vorzimmer! Was
macht's, wenn das halbe Jahr eigentlich schon um ist - auf die Wirkung kommt
es an. Ich habe den Vorteil, daß in den nächsten sechs Tagen immer
ein anderes Bild die Vorzimmerwand schmückt...
Männes Interesse ist erwacht. Männes anfängliches Blättern
ist in ein interessiertes Lesen übergegangen. Auf dem Tisch liegen griffbereit
stets die bisher gekauften Bücher gestapelt. Aber noch immer wird ängstlich
vermieden, das Thema Katzenkauf erneut anzuschneiden.
Die dritte Woche ist angebrochen, seit ich den bescheidenen Wunsch nach einer
Katze geäußert habe. In der Buchhandlung bin ich inzwischen ein
gern gesehener Gast. Wieder bin ich fündig geworden. Meine Katzenbibliothek
kann sich bereits sehen lassen. Diesmal ist es eine Sammlung Katzengeschichten
von verschiedenen berühmten Schriftstellern. Hm, vielleicht doch nicht
so ganz das Richtige? Ich lese es trotzdem und bin gefesselt. Einige der Geschichten
sind sehr witzig und ich muß beim Lesen hell auflachen.. Männes
Blick ruht mißtrauisch auf mir. Später sehe ich ihn schmunzelnd
die gleiche Geschichte lesen. Aha! Den großen Bildband hat er auch schon
durchgeblättert.
In der vierten Woche seit der Äußerung meines Katzenwunsches stehe
ich am Kiosk bei der Bushaltestelle. Mein Blick schweift über die ausgehängten
Zeitschriften und wird magisch von einem Katzenbild angezogen: eine Katzenzeitschrift.
Hurra, was Neues! Die muß mit!
Ich habe nun schon Übung, daher packe ich die Zeitschrift erst beim Abendessen
aus. Und dann bin selbst ich überrumpelt. Die Zeitschrift klappt wie
von selbst in der Mitte auseinander.... und da liegt sie, der Traum aller
Träume, zwei Seiten groß: eine Katze, so schön, daß
es mir den Atem verschlägt, ein Traum in Rot. Männe muß mein
sprachloses Staunen bemerkt haben, schließlich sitzt einem nicht jeden
Tag ein Frauchen mit tonlos offenem Mund gegenüber. Also beugt er sich
vor, um den Grund meiner Sprachlosigkeit zu sehen. Und dann sitzen wir beide
und starren andächtig auf das Bild einer Maine Coon Katze. Gott, ist
die schööööön! Endlich sind wir wieder mal einer
Meinung. Und dann kommt Männes zögernde Frage: "Was würde
denn so eine Katze kosten????"
Kurze Zeit darauf hielt unsere erste Katze ihren Einzug. Heureka!
©copyright by Waltraud Novak 1999-ff
Faby
Auch Katzen können "anders" sein...
Von Waltraud Novak
Als Faby geboren wurde, verfinsterte sich nicht die Sonne, starb kein Stern,
kein Sturm verwüstete das Land und kein Erdbeben erschütterte die
Welt. Und trotzdem sollte danach nichts mehr so wie vorher sein.
Es war ein Tag wie jeder andere. Oder halt, nein, eigentlich doch nicht. Dana,
unsere silver tabby Katze, sollte mit Babies niederkommen. Sie hatte uns ganz
geschickt ausgetrickst, was ihre letzte Rolligkeit anbelangte, und die Kater
waren raffiniert genug, die Katertüre irgendwie aufzubrechen. Wir hatten
davon nichts gemerkt, denn sie nützten die Nachtstunden für ihr
Werk. Am Morgen begrüßten uns sämtliche Katzen mit Begeisterung
- inklusive der zwei Kater, die ja eigentlich gar nicht da sein sollten, wo
sie nun waren! Alle Damen des Hauses machten harmlose Gesichter und so schickten
wir ein Stoßgebet gen Himmel und strichen den Tag im Kalender sicherheitshalber
rot an.
Aber der Herr war wohl an diesem Tag aus irgendwelchen Gründen besonders
überlastet und so hörte er unser kleines Gebet nicht. Dana, die
ihre Trächtigkeiten wie ein Plakat vor sich her trägt, suchte bereits
eine Woche nach dieser verhängnisvollen Nacht dunkle Höhlen, baute
Nestchen und schlief extra lang und extra tief. Alles verlief vollkommen nach
den Regeln - bis auf die Tatsache, daß wir nicht wußten, welcher
Kater nun der Urheber dieses Zustandes war. Der Brown tabby? Oder der Rote?
Oder - grundgütiger Himmel! - vielleicht gar beide?
Als es nicht mehr zu verheimlichen war, daß Dana Mutterfreuden entgegen
sah, machte ich mich ans Werk. Ich blätterte diverse Bücher durch
und stöberte in alten Landkarten, um getreu unserem Motto hübsche
Namen für den zu erwartenden Nachwuchs zu finden. Eine Liste mit männlichen
und weiblichen Namen wurde aufgestellt, um bei Bedarf sofort abrufbar zu sein.
Es war Danas vierter Wurf und sie war eine durchaus erfahrene Mutter. Sie
bezog zeitgerecht die "Entbindungsstation" und als ihre Wehen einsetzten,
waren wir beide gut vorbereitet.
Das erste Baby war winzig. Es war so klein, daß ich meinte, es würde
nicht durchkommen. Aber Dana holte es zu sich, leckte es sauber und stieß
es mit der Nase zu den Zitzen, damit es trinken könnte. Aber es trank
nicht. Immer wieder versuchte sie, das Baby, einen brown tabby Kater, zum
Trinken zu animieren. Der Bursche wollte nicht! Inzwischen kam das nächste
Baby. Ein riesiges Kitten mit einem dicken Kopf und zweifärbig. Ein Mädchen,
und nun war wohl auch das Geheimnis gelüftet, wer der Übeltäter
war! Kaum war das Baby geboren, fing es auch schon zu schreien an. Die Mutter
leckte es trocken und das Baby brüllte noch lauter. Irritiert leckte
und leckte sie weiter, schließlich schob sie es mit der Nase Richtung
Bauch, denn inzwischen drängte das dritte Baby ans Licht. Ein brown tabby
Mädchen! Ich drehte es um und um, aber es war tatsächlich ein brown
tabby Mädchen. - Oh nein!!! Kurz darauf kam noch ein viertes Baby, wieder
ein Mädchen - und zweifärbig! Nach diesem letzten Baby bedeutete
Dana mir, daß sie nun genug Kinder hätte und nichts mehr nachkomme.
Zufrieden lag sie in ihrer Wurfkiste und schnurrte, um ihre quietschenden
und fiependen Kinder zu beruhigen. Die beiden Letztgeborenen hatten bereits
die Milchquelle entdeckt und schmatzten zufrieden vor sich hin, das riesige
Mädchen und der Winzling jedoch krochen unruhig und weinend in der Wurfkiste
umher. Mein Versuch, die Babies an eine Zitze anzulegen, wurde mit einem gellenden
Geschrei seitens der Babies und einem unzufriedenen Brummen der Mutter quittiert.
Verzweifelt und verzagt saß ich vor der Wurfkiste und durchforstete
mein Gehirn nach Rat. Schließlich resignierte ich und beschloß,
Mutter Natur nicht ins Handwerk zu pfuschen. Der Winzling mit seinen 50 Gramm
Lebendgewicht mußte sich entscheiden ob er leben wollte oder nicht.
Über all dies war es Abend geworden und ich ging schweren Herzens ins
Bett. Würde ich morgen den Winzling noch lebend vorfinden? Und warum
nur war dieses Riesenbaby so unruhig? Es war doch kräftig genug, sich
die beste und ergiebigste Zitze zu erobern - aber nein, das Kitten kroch umher,
als ob es völlig ohne Orientierung wäre.
Der nächste Morgen zeigte ein unverändertes Bild. Das Riesenbaby
kroch unruhig und quietschend in der Wurfkiste umher, der Winzling lag in
den Schwanzhaaren der Mutter versteckt und fiepte leise vor sich hin, die
beiden anderen hingen zufrieden an Mutters Zitzen. Die Waage belehrte mich,
daß alle Babies zugenommen hatten, der Winzling zwar nur zwei Gramm,
aber immerhin. Irgendwie mochte er also den Weg zu den Zitzen gefunden haben.
Das Riesenbaby hatte sehr kräftig zugenommen, die beiden anderen lagen
im Normalbereich. Was sollte ich nur von diesem Wurf halten? Nach einer Woche
war die Lage unverändert. Der Winzling brachte ganze 60 Gramm auf die
Waage, das Riesenbaby hatte sein Geburtsgewicht mehr als verdoppelt, die beiden
anderen entsprachen der Norm. Der Winzling blieb unruhig und das Riesenbaby
schrie. Aber Dana schien sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Ich versuchte,
den Winzling, der auf seinen kraftlosen Streichholzbeinchen durch die Wurfkiste
robbte, mit der Flasche zu füttern - aber da hatte ich die Rechnung ohne
den Wirt gemacht. Nun legte der kleine Mann los und brüllte noch lauter
als seine Riesenschwester. Nach dem dritten Versuch gelang es mir, ihm wenigstens
zwei, drei Tropfen Milch einzuflössen. Ein wahrhaft erbärmlicher
Erfolg.
Auch nach der zweiten Lebenswoche hatte sich wenig verändert. Das ewig
schreiende Riesenbaby war nun bereits doppelt so groß und schwer wie
seine normal gewachsenen Geschwister, der Winzling hatte noch immer die Größe
eines Neugeborenen und war ebenso dünn behaart. Jedes der Babies hatte
nun seinen Namen. Der Winzling wurde Feivel getauft, das Riesenbaby bekam
den Namen Fabyenne. Nach der dritten Lebenswoche beschloß ich, den Winzling
Feivel, der zu diesem Zeitpunkt 90 Gramm wog und dessen Haut eine merkwürdig
bläuliche Färbung aufwies, schweren Herzens zum Großen Manitou
zu senden. Als ich Feivel von der Mutter wegnahm, begann er zu brüllen
und tat dies auf der ganzen Fahrt zum Tierarzt, während der Wartezeit
und schließlich auch in der Ordination. Er war lilablau angelaufen von
dieser Anstrengung, aber er brüllte und brüllte. So viel Protest
durfte ganz einfach nicht überhört werden und so zogen wir beide
wieder ab, einen verdutzten Tierarzt zurücklassend. An diesem Tag beschloß
Feivel, doch noch eine Katze zu werden. Plötzlich fand ich ihn den ganzen
Tag an einer Zitze hängend und tatsächlich begann er - mit drei
Wochen Verspätung! - zu wachsen und zuzunehmen. Feivel entwickelte sich
von Stund an normal, ein Riesenkater wurde er jedoch nie.
Fabyenne, das Riesenbaby, wuchs und wuchs - brüllend. Sie schrie, wenn
die Mutter das Nest verließ und schrie, wenn sie wieder zurückkam.
Faby schrie, wenn man sie anfaßte und Faby schrie, wenn ihre Geschwister
sie von ihrer Lieblingszitze verdrängen wollten.. Ihr ständiges
Schreien war so sehr in unseren Ohren verankert, daß wir zwei Tage brauchten,
ehe wir gewahr wurden, daß Faby verstummt war. Die Kitten hatten den
Wurfkäfig verlassen und Faby war - schreiend - immer hinterher gelaufen.
Als uns bewußt wurde, daß Faby nicht mehr schrie, hatte sie bereits
irgendwie Bekanntschaft mit einem grippalen Infekt gemacht. Der Arzt verordnete
kleine Pillen, die ihr einmal täglich verabreicht werden sollten. Aber
Faby wollte keine Pillen schlucken. Sie kratzte, spuckte und biss. Es half
kein Trick, kein Nackengriff, kein Einwickeln in ein Tuch - Faby weigerte
sich, ihre Pillen zu schlucken. Der Tierarzt mußte sie täglich
mit Injektionen behandeln, um die Grippe in den Griff zu bekommen. Endlich
hatten wir diese schwierige Zeit hinter uns, Faby war gesund - aber sie schrie
nicht mehr. Faby war still und von nun an unsichtbar. Wollte man Faby sehen,
mußte man hinter das Sofa oder in die Kletterburg kriechen. Faby wollte
auch nicht mehr mit den Geschwistern spielen. Sie wollte überhaupt nicht
mehr spielen. Bekam man Faby doch einmal zu Gesicht, so starrten einem übernatürlich
groß aufgerissene Augen an. Faby ging nachts essen, wenn die anderen
schliefen. Faby benutzte die Katzentoilette, wenn die anderen im Garten waren.
Als die Geschwister alt genug waren und eines nach dem anderen ein neues Zuhause
fanden, blieb Faby allein zurück. Wem soll man eine Katze anbieten, die
unsichtbar ist?
Faby änderte nun ihre Taktik. Carlotta, eine Kastratin, schien die Einzige
zu sein, die einen Weg zu Fabys Seele gefunden hatte. Wo Carlotta war, war
auch Faby, Carlotta war ihre Stütze, ihr Halt und ihr Vorbild. Immer
häufiger konnte man sie da antreffen, wo auch die älteren Katzen
des Haushalts sich aufhielten. Mal lag sie auf dem Sofa, mal auf einem Sessel,
sie wagte sich sogar schon auf den Kratzbaum. Blickte man ihr jedoch direkt
ins Gesicht, sprang sie wie von der Tarantel gestochen auf und flüchtete
in ihre dunkle Höhle unter das Sofa oder in die Kletterburg. Immer waren
ihre Augen angstvoll aufgerissen, auch bei hellstem Licht schlossen sich die
Pupillen nie. Sie lernte sogar, zusammen mit den anderen Katzen in der Küche
zu essen, ich durfte sie jedoch dabei nie ansprechen oder gar eine Bewegung
in ihre Richtung machen - schon war Faby nur mehr eine Fata Morgana. Darüber
war sie nun ein Jahr alt und eine herrliche Silver torbie mit sehr starkem
Rot-Anteil geworden. Ihre körperliche Größe übertraf
alle anderen Katzen, ihr Gehirn jedoch schien sich nie mitentwickelt zu haben.
Ihr Kopf war für den großen Körper zu klein. Sie wurde kastriert,
um ihr nicht auch noch den Stress der Rolligkeiten aufzubürden. Ihr Verhalten
änderte sich aber auch nach der Kastration nur sehr, sehr langsam, fast
unmerklich. Ihre Berührungsängste gingen so weit, daß man
sie nicht pflegen konnte. Als sie im Haarwechsel stand, zupfte sie sich die
verfilzten Haarbüschel selbst aus dem Fell.
Als Faby ungefähr 18 Monate alt war, fand Carlotta ein neues Zuhause.
Gespannt und ängstlich warteten wir auf Fabys Reaktion. Sie überraschte
meinen Mann, indem sie sich abends ganz selbstverständlich an seine Seite
auf das Sofa legte. Als er jedoch mit der Hand eine Bewegung machte, um sie
zu streicheln, sprang sie auf und lief ans andere Ende des Zimmers. Dort setzte
sie sich hin und starrte nachdenklich auf ihn. Nach einer Weile erhob sie
sich und ging langsam wieder zum Sofa, sprang hinauf und legte sich abermals
an seine Seite. Diesmal machte niemand mehr den Versuch, sie zu streicheln.
Das wurde nun Fabys neues Ritual.
Wieder einige Wochen später überraschte Faby uns am Frühstückstisch.
Sie setzte sich schnurrend auf die Tageszeitung und war auch durch ein erstauntes
"Faby!" nicht vom Tisch herunter zu bekommen. Sie lernte plötzlich,
mit den anderen in der Küche zu essen, auch wenn ich oder mein Mann dabei
ein und aus gehen. Allmählich wurde aus ihr eine (fast) normale Katze.
Sie spielte mit den Kitten und wurde dabei selbst wieder zum Kitten. Waren
die Kitten aus dem Haus, spielte sie allein weiter, als wären sie alle
noch da. Sie erzählte sich selbst etwas und jubelte laut, wenn sie mit
sich selbst Fangen spielte. Wenn jedoch Besuch kam, zählte unsere Katzenschar
um einen Kopf weniger - Faby war wieder unsichtbar. Umso erstaunter waren
wir, als eines Tages ein Ehepaar zur Kittenbesichtigung kam und mit den Babies
spielte. Plötzlich war Faby mitten unter ihnen und spielte mit Begeisterung
mit. Der Versuch, sie zu streicheln, schlug aber wieder fehl; Faby flüchtete
zwar nicht, achtete aber peinlich genau auf die Einhaltung eines Respektabstandes.
In der Zwischenzeit war Faby zwei Jahre alt geworden. Wir dankten Gott, daß
sie so eine gesunde Konstitution hatte und niemals krank wurde - sie wäre
nicht zu behandeln gewesen. Ihr Vertrauen in uns war inzwischen so gewachsen,
daß man sie gelegentlich auch schon mal auf den Arm nehmen durfte. Kam
jemand zu Besuch, hielt Faby ihren selbstgewählten Respektabstand ein,
versteckte sich aber nicht mehr. Sie spielte noch immer gerne mit den Kitten
und raste manchmal wie die Feuerwehr durchs Haus. Ihre Pupillen waren zeitweise
fast normal verengt und wenn sie irgendwo dösend lag, konnte man bereits
an ihr vorbeigehen, ohne daß sie vor Schreck gleich der Schlag traf.
Eines Tages vor zwei Jahren rannte Faby aufgeregt plaudernd durchs Haus. Unsere
anderen Katzen frönten im Freigehege dem Frühsommer und Faby dürfte
sich vereinsamt vorgekommen sein. Plötzlich plazierte sie sich eifrig
plaudernd auf meiner Morgenzeitung und bettelte um Streicheleinheiten. Es
wurde eine ausgiebige Schmusestunde daraus. Faby wagte sich dabei sogar auf
meinen Schoß und ich durfte ein wenig ihr Bäuchlein kraulen!! Am
nächsten Morgen erweiterte sie das Schmuseprogramm, indem sie sich rücklings
auf meiner Morgenzeitung ausbreitete und mir auffordernd ihr Bäuchlein
bot. Wieder einen Tag später saß sie bereits wartend auf dem Eßtisch
und ich durfte sie im Vorbeigehen schnell mal streicheln, ohne daß sie
zurückzuckte.
Nun ist Faby vier Jahre alt geworden und vieles in ihrem Verhalten hat sich
gebessert. Sie hat sich eine neue Bezugs"person", ihren Halbbruder
Ari, ausgesucht und ist sein lebendig gewordener Schatten. Wo Ari ist, ist
Faby. Das geht so weit, daß Faby Ari kopiert. Manchmal sitzen oder liegen
sie neben einander auf dem Sofa, in völlig gleicher Körperhaltung,
mit identischer Schwanzstellung, selbst der Kopf wird vollkommen gleich gehalten
- unsere siamesischen Zwillinge. Sie ist nach wie vor unsere Unberührbare
- mit einer Ausnahme: am Morgen darf man sie anfassen, streicheln und zärtlich
tätscheln.
Faby lebt in einer anderen Welt, die sich von unserer grundsätzlich unterscheidet.
Wir sind dankbar, daß sie uns hin und wieder in unserer Welt besucht
und verstehen es, wenn sie sich dann verwirrt wieder zurückzieht, weil
sie damit nicht zurecht kommt. Seit ihrer sprunghaften Veränderung vor
fast zwei Jahren ist sie offener und freundlicher geworden. Fremden begegnet
sie weiterhin mit größtem Mißtrauen. Wir hoffen, daß
sie trotzdem auf dem Weg in unsere Welt ist und behandeln sie wie ein rohes
Ei, aus Angst, sie könnte sich doch noch irgendwo ein Hintertürchen
offen gelassen haben, durch das sie sich wieder von uns entfernt. Aber wir
glauben fest daran, daß sie sich eines Tages entschließen wird,
doch ganz hier bei uns zu bleiben. Darauf warten wir und werden sie dann herzlich
willkommen heißen.
Nachtrag: Für die Dauer von einigen Jahren war Faby eine fröhliche, freilich nur auf meine Person bezogene Katze. Im Zenith ihres Lebens begann der Abstieg ihres Lebenssterns, sie entwickelte sich rückwärts, wurde immer mehr wieder zu dem Sonderling, der sie in ihren frühen Jahren war. Ab ihrem 15. Lebensjahr erschwerten die typischen Alterserscheinungen ihr Leben: Arthritis, Abnehmen des Hör- und Sehvermögens, Unsauberkeit. Am 4. Juli 2012 trat Faby friedlich im Schlaf ihre Reise zum Regenbogen an. Sie wurde 16 Jahre 3 Monate und 1 Woche alt.
Schlafe in Frieden bis wir uns wiedersehen!
Fabyenne of Athabaske,
28. März 1996 bis 4. Juli 2012
© copyright by Waltraud Novak 2000-ff
Tessa
Von Waltraud Novak
Das Schaufenster war hell erleuchtet und mit Goldgirlanden und Sternchen geschmückt;
schließlich war in acht Wochen Weihnachten und man mußte doch
das Weihnachtsgeschäft rechtzeitig ankurbeln. In der Mitte des Fensters
war ein großer Käfig plaziert, in dem fünf junge Langhaarkätzchen
in den verschiedensten Farben saßen und durch das Gitter und die Glasscheibe
neugierig nach den Fußgängern spähten. Ich wollte schon achtlos
daran vorbeigehen, als es mich wie der Blitz traf. Dieses eine dort, das rosafarbene
- mein Gott, dieses Kätzchen möchte ich haben! Wir hatten einige
Monate zuvor unseren Hund einschläfern lassen müssen, der uns 14
Jahre lang treu begleitet hatte, und ich war über den Verlust noch nicht
hinweg gekommen. Auch unser kleines Kaninchen Niko konnte den Todesfall nicht
verkraften, war der Hund doch für ihn das "Superkarnickel"
gewesen. Ich eilte schnurstracks nach Hause, um meinen Mann von der Dringlichkeit
des Katzenkaufes zu überzeugen.
Haben Sie auch einen Mann? Haben Sie schon einmal versucht, einen Prosaiker
von der "intuitiven" Notwendigkeit des Erwerbs eines weiteren Haustieres
zu überzeugen? Vier Wochen ausdauernder Zermürbungstaktik und ein
kleiner Zufall bewirkten schließlich das Umdenken.
Natürlich war das Kätzchen in dem Zoogeschäft längst verkauft,
aber es gibt ja auch Züchter, nicht wahr? Also wurde ein Katzenverband
angerufen und um Adressen gebeten. Aber niemand hatte ein Kätzchen, wie
ich es mir wünschte. Dann mußte Niko, das Karnikel, zum Zähne-
und Krallenschneiden zum Tierarzt. Im Gespräch erwähnte ich meine
vergebliche Suche nach einem Perserkaterchen in shaded cameo oder creme cameo
(entsprechende Literatur hatte mich inzwischen in die Fachsprache eingeweiht)
und siehe da - gerade war bei der Ärztin eine Züchterin gewesen,
die einen Wurf zur Impfung gebracht hatte, in dem so ein Kätzchen gewesen
sei. Die Telefonnummer war schnell gefunden und ein Besuchstermin vereinbart.
Nachdem wir die eingehende Musterung durch den Cerberus, einer blau-creme-farbenen
Katzendame, bestanden hatten, war es uns gestattet, das Zimmer mit den Jungtieren
betreten zu dürfen. Mein Herz schlug höher, da war genau das Kätzchen,
das ich mir so sehr wünschte! Leider wurde meine Freude gleich wieder
gedämpft: das Kätzchen hatte schon einen Besitzer. Enttäuscht
saß ich auf dem Boden mitten zwischen den Jungtieren und versuchte,
mit den anderen in Kontakt zu kommen, aber kein Kätzchen wollte sich
von mir anfassen lassen oder mit mir spielen. Niedergeschlagen setzte ich
mich zu meinem Mann und der Züchterin an den Tisch. Wir plauderten noch
ein Weilchen und schließlich drängte mein Mann zum Aufbruch. Da
fiel mein Blick auf ein cremefarbenes Kätzchen, das bei der Türe
saß und mich unverwandt ansah. Es war mir vorher nicht aufgefallen und
die Züchterin bestätigte mir, daß sich dieses Kätzchen
immer etwas abseits von der übrigen Schar aufhielte.
Ich streckte vorsichtig meine Hand in seine Richtung und da - es kam näher
und näher, und plötzlich legte es sich zu meinen Füßen
hin, drehte sich auf den Rücken und ließ sich das Bäuchlein
kraulen. Das war es! Unnötig zu sagen, daß es kein Kater und die
Farbe kein shaded cameo war - unsere Katze hatte uns bereits gekauft. Die
Art, wie sie uns hoheitsvoll zu ihren neuen Besitzern auserkoren hatte, trug
ihr, trotz des hübschen Stammbaumnamens, den Namen "Contessa"
ein.
Sie
krempelte unser gesamtes Leben um. Das Karnickel hatte sich fortan ihren Wünschen
zu beugen, sie lehrte uns das Katzeneinmaleins, sie machte uns mit den Tiefen
einer Katzenseele vertraut. Sie schenkte uns ihre abgöttische Liebe und
unverbrüchliche Treue und wir waren Wachs in ihren Pfötchen. Fortan
drehte sich alles nur mehr um "Tessa". Tessa will dies, Tessa will
das, Tessa kann dies nicht und Tessa mag das nicht. Sie kam des Morgens zu
uns ins Bett und weckte uns mit sanften Pfötchenstupsern. Sie pflegte
uns dabei tief in die Augen zu schauen und eine Art Kuß auf unsere Wangen
zu hauchen. Sie hatte Verständnis für die Notwendigkeit, Urlaub
von uns zu nehmen, wenn wir Urlaub vom Alltag nahmen und ging bereitwilligst
zu unserer Tochter in Pension. Ihr Gepäck füllte den Kofferraum
eines Autos. Sie freute sich, wenn wir sie wieder abholten und zeigte uns
das auch. Sie genoß unseren Garten im Sommer, verließ jedoch nie
das Grundstück und wir konnten sicher sein, welche Gartenarbeit wir auch
gerade verrichteten - Tessa war nie mehr als drei Meter von uns entfernt.
Offensichtlich mußte sie ihre Leute beaufsichtigen, damit die nicht
irgend einen Unsinn machten. Sie strafte die Singvögel in den Bäumen
mit Verachtung, so sehr sie auch spotteten und provozierend vor ihr umherflatterten.
Ihr Lieblingsplatz war ein sonniger Mauervorsprung auf dem höchsten Punkt
unseres Gartens. Von dort kann man das ganze Tal überblicken. Sie liebte
es, dort zu sitzen und ins Tal zu schauen, während der leichte Sommerwind
in ihren langen Haaren spielte. Wiederholte, schmerzhafte Bekanntschaften
mit Wespen hielten sie nicht davon ab, weiterhin der gesamten Schar von fliegenden
und kriechenden Insekten den Kampf anzusagen. Sie schätzte Blumen, wir
konnten sie des öfteren dabei beobachten, wie sie genießerisch
den Duft einer Blüte einsog. Sie war einzigartig und wir lagen ihr zu
Füßen.
Eines Tages im Sommer, es war ihr vierter, wollte Tessa ihr Essen nicht anrühren.
Sie verkroch sich im Haus und wollte auch nicht zum
Schmusen kommen. Ihr von einem auf den anderen Tag verändertes Verhalten
veranlaßte mich, schleunigst den Tierarzt aufzusuchen. Es wurde eine
bakterielle Infektion des Magen-Darmtraktes diagnostiziert, die Medikation
festgelegt und wir wieder nach Hause entlassen. Doch die Medikamente bewirkten
keine Besserung. Man wechselte mehrmals die Medikamente, mit wenig Erfolg.
Endlich zeichnete sich eine Besserung ab. Tessa verlangte wieder nach ihrem
gewohnten Essen und wir atmeten auf.
Vier Tage später kam der Rückschlag. Tessa hatte Fieber, Tessa erbrach,
Tessa bekam Durchfall. Und Tessa trank Wasser. Sie, die bis dahin kaum Wasser
getrunken hatte, leerte plötzlich an einem Tag eine ganze Wasserschüssel.
Dann hörte sie auf zu essen. Sie verschmähte alle Leckerchen, nichts
konnte sie dazu bewegen, etwas zu sich zu nehmen. Der Tierarzt konstatierte
eine vergrößerte Niere. Er legte seine Stirne in besorgte Falten
und nahm eine Blutprobe. An diesem Tag verdunkelte sich unser Himmel.
Die Blutprobe ergab erhöhte Nierenwerte: Tessas Nieren stellten ihre
Funktion ein. Es folgten Medikationen, Infusionen, Injektionen, erneute Blutproben
mit noch höheren Werten, dazwischen immer wieder eine kurze Zeitspanne
der Besserung, die uns hoffen ließ. Schließlich konnte sie nur
noch Baby-Diätnahrung zu sich nehmen, ich fütterte sie mit dem Fläschchen.
Wenn sie dann wieder einen Tag der Besserung hatte, genoss sie es, sich das
Bäuchlein kraulen zu lassen, wie sie es zu Anfang unserer Beziehung getan
hatte. Ich verbrachte die Nächte neben ihrem Krankenlager, auf dem Boden
liegend. Sie hatte sich den Ort selbst gewählt: den Platz unter meinem
Schreibtisch im Arbeitszimmer. Von hier konnte sie in die Küche sehen,
wenn ich kochte und einen Blick ins Wohnzimmer werfen, wo Herrchen saß.
Wenn es ihr gut ging, konnte sie die paar Schritte zu mir in die Küche
gehen, um mich zu besuchen.
Dann kam der Tag, an dem Tessa plötzlich völlig unerwartet bei mir
in der Küche auftauchte. Sie maunzte mich an und warf einen vorwurfsvollen
Blick auf die leeren Futterschüsseln. Ich konnte es nicht fassen. Nach
sechs Wochen Darben hatte Tessa endlich Hunger! Ich richtete ein paar Bissen
ihres Lieblingsfutters und sah mit Entzücken, wie sie Stückchen
für Stückchen mit Genuß aß. Die Sonne schickte wieder
ein paar Strahlen durch unsere dunklen Wolken. Voll Freude erzählte ich
abends meinem Mann von der unerwarteten Wendung. Tessa ging es gut! Tessa
wird gesund! Trotzdem legte ich mich zu später Stunde wieder zu ihr.
Es war ein Samstag. Sonntag morgen wachte ich jäh auf. Ein Blick auf
die Uhr sagte mir: es war drei Minuten nach sechs Uhr. Der nächste Blick
galt Tessa. Tessa hatte es vorgezogen, uns in dieser Nacht zu verlassen. Sie
lag völlig entspannt auf der Seite, ihr Gesichtchen mir zugewandt. Sie
war noch warm, doch ihr Blick war gebrochen. Vielleicht hatte mir ihre Seele
zum Abschied in der altbewährten Art noch einen Kuß auf die Wange
gehaucht, der mich geweckt hatte?
Tessa ruht nun auf ihrem Lieblingsplatz im Garten. Hinter dem Mauervorsprung,
mit dem Blick über das Tal. Der Platz unter meinem Schreibtisch ist tabu.
Nichts und niemand darf sich darauf aufhalten.
Sie hatte uns das Katzeneinmaleins beigebracht und uns gelehrt, Katzen zu
lieben. Heute haben wir zwölf erwachsene Katzen und eine Menge Jungvolk
dazu. Jedes einzelne dieser Tiere ist eine Persönlichkeit und wir lieben
sie, doch über allen, unerreicht, steht Tessa.
In
Memoriam
Lucia von Castellamare Genannt "Tessa" 1987 - 1991 |